Grenzen und Geschichte erwandern

8. April 2019

Montanhistorische Tour führt zum Dorfjubiläum „825 Jahre Wolfenhausen“ über 100 Teilnehmer an die Gemarkungsgrenzen – Von Andreas E. Müller, aus dem Weilburger Tageblatt vom 08. April 2019, mit freundlicher Genehmigung des Verlagshauses.

Route und Anlaufpunkte der nördlichen Grenzwanderung

Weit über 100 Menschen haben bei herrlichem Frühlingswetter an einer Grenzwanderung rund um Wolfenhausen teilgenommen.
Das „Team Grenzwanderung“ um Stefan Muschhammer hatte diese Tour anlässlich des Dorfjubiläums zum 825-jährigen Bestehen des Orts organisiert. Unterstützt wurden die Veranstalter dabei vom Schwimmbadförderverein. Für die Wanderung hatten sie den Geologen und Fachmann für Geophysik, Gerd Mathes aus Braunfels-Tiefenbach, als Experten engagiert, der mit viel Witz jede Menge Wissenswertes auf der Strecke zu erzählen wusste.

Als Montanindustrie (lateinisch mons=Berg) bezeichnet man die Gewinnung, Aufbereitung und Verarbeitung von Bodenschätzen, also den Bergbau. Mathes erzählte, dass die Gegend reich an Rohstoffen ist und es rund um Wolfenhausen zahlreiche Stollen gibt. Alte Stollen seien im Krieg sogar als Luftschutzräume genutzt worden. „Ich hoffe, dass wir sie aus einem solchen Grund nicht mehr aufsuchen müssen“, sagte er.

Treffpunkt für die Wanderung war am Dorfgemeinschaftshaus. Als sich dort die vielen Hunde beschnuppert hatten, konnte es los gehen. Für die Frühjahrstour wurde eine nördliche Route um den Ort gewählt, im Herbst soll eine südliche folgen. Schon nach wenigen Metern wies Gerd Mathes auf ein Fachwerkhaus mit, dessen Dach nicht nur mit Schiefer gedeckt ist, sondern das auch auf mehreren Seiten mit Schiefer verkleidet ist. „Das hat man oft auf der Wetterseite so gemacht“, berichtete Mathes.

Schiefer, Gestein des Jahres 2019 ist meistens grau, kommt aber auch in einer roten Variante vor. Etwas außerhalb des Dorfes wies Stefan Muschhammer auf eine im vergangenen Jahr angelegte Wildbienenwiese hin. Dort wurde auf einem brachliegenden Grundstück eine spezielle Blumenmischung ausgesät und auch ein Insektenhotel errichtet.

Von der Wiese aus hat man einen Blick in Richtung der Grube Lindenberg, in der bis in die 70-er-Jahre Eisenerz abgebaut wurde. Unter anderem dort sei sein Vater als Steiger zuständig gewesen, berichtete Mathes und zeigte alte Grubenkarten, in denen alle Eisenerzfelder eingetragen sind. Er machte deutlich, dass die heimische Region einmal ein großes zusammenhängendes Vulkangebiet war.

Mit Humor und viel Sachverstand informiert Gerd Mathes die Teilnehmer der Grenzwanderung (Foto: Andreas E. Müller)

Die verfestigte Vulkanasche wird als Tuff oder auch Schalstein bezeichnet. Auch Diabas ist eine Form von Vulkangestein, das hier einmal abgebaut wurde. Mathes zeigte alte Fotos, die belegen, wie mühevoll die Arbeit und auch der Transport damals waren. Vor 1900 wurden Steine mit Ochsenkarren transportiert.

Forstdirektor Gerd Schneider vom fürstlich-wiedischen Forstamt in Neuwied ging auf die Baumbestände und Probleme im Wald ein. Etwa hälftig habe man dort Nadel- und Laubbäume. Das seien vor allem Fichten und Buchen.

Schneider berichtete von starken Windwürfen und der Schädigung durch Borkenkäfer, andere Insekten und Pilze. Man müsse aktuell mehr Holz aus dem Wald holen, als man verwerten kann, was die Preise zu 50 Prozent nach unten drücke. Die Sägewerke seien übervoll, und man müsse Holz nach China exportieren.

Gerd Mathes wies auf einen alten Grenzstein Wied-Runkel hin und erzählte, der sei damals von Häftlingen im Diezer Zuchthaus gefertigt worden. Bei der ehemaligen Grube „Alter Mann“ ging Mathes auf den Abbau von Eisen-, Blei- und Silbererz ein. Silber habe man für die Herstellung von Münzen benötigt. Das fürstlich-wiedische Haus Runkel habe eigene Münzen geprägt. Wiederum auf einer alten Karte zeigt er dann, wie Hessen gebietsmäßig in verschiedenen Jahren aufgeteilt war.

„Früher waren Burgen mit ihren Wehrtürmen Landmarken, heute sind es Windräder“, sagte der Geologe mit Blick auf die Windkraftanlagen bei Laubuseschbach. Dann machte er auf einen Wall im Wald aufmerksam. Der sei ein Zeichen dafür, dass dort Landwirtschaft betrieben worden sei und dafür Terrassen angelegt wurden.

Aufmerksam hören die über 100 Grenzwanderer den spannenden Berichten von Gerd Mathes zu. (Foto: Andreas E. Müller)

Wenn man an solchen Orten grabe, könne man noch alte Getreidekörner im Boden finden. Für die Landwirtschaft seien oft Waldflächen gerodet worden, was sich bei Ortsnamen, die auf -roda enden, zeige. Am höchsten Punkt der Wanderung, dem „roten Küppel“ (377 Meter) auf einem Rücken aus Schiefergestein, hat man von der Krausbuche aus einem Blick in Richtung Grube Theodor.

Mathes erzählte, dass es in der Region zahlreiche Plätze gibt, an denen Kohlemeiler standen. Holzkohle habe man vor allem für die Eisenschmelze benötigt. Auf einem Luftbild, auf dem durch eine neuartige Technik der Wald wegretuschiert wurde, konnten die Teilnehmer die Struktur der Landschaft erkennen.

„Diese neue Technik wird die Archäologie revolutionieren“, ist sich Mathes sicher. Derartige Fotos werden in Wolfenhausen in einer Ausstellung am 5. und 6. Oktober 2019 zu sehen sein.

Am Ende der Tour ging Revierförster Dennis Schumillas an einer Windwurfstelle noch auf die Schäden des Sturmes Friederike vom Januar 2018 ein. An dieser Windwurffläche wolle man den Wald sich selbst überlassen, sagte er. Man habe nur etwas die umgefallenen Bäume weggeräumt und dann die Stelle als Wildschutz eingezäunt. Dann wolle man abwarten, wie sich der Wald selbst regeneriert.

Ortsvorsteher Dietmar Blasius (parteilos) dankte allen, die an der Grenzwanderung mitgewirkt haben und bat um Unterstützung des Schwimmbadfördervereins, der im Anschluss die Bewirtung der Gäste im Dorfgemeinschaftshaus übernahm.

Bildquellen

  • grafik: © https://wolfenhausen-im-taunus.de
  • grafik: © https://wolfenhausen-im-taunus.de
  • Grenzwanderung 6.4.19: © https://wolfenhausen-im-taunus.de

Last modified: 22. Dezember 2020

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