Ein Schwimmbad für Wolfenhausen

der lange Weg zur Erfüllung eines Traums


Schwimmbadbau (Dirk Schermuly)

Laut Adolf Raab, dem damaligen Bürgermeister von Wolfenhausen, gab es die ersten Überlegungen zum Bau eines Schwimmbads in Wolfenhausen im Jahr 1959. Ein kostspieliges Vorhaben aber im Industriedorf Wolfenhausen florierte die Wirtschaft. Die beiden größten Firmen im Dorf, die Lederfabrik der Firma Wilhelm Möhlenbeck und die Baufirma Heinrich Reuter & Söhne stellten in dieser Zeit zusammen über 200 Arbeitsplätze. Auch die Raiffeisen-Genossenschaft Wolfenhausen erlebte gerade in diesen Jahren einen beachtlichen Aufschwung und überall wurde gebaut. Durch die größeren Firmen und den Bauboom hatten auch alle anderen örtlichen Handwerksbetriebe volle Auftragsbücher, die Wolfenhäuser hatten Arbeit und konnten ihren Lohn in den vielen örtlichen Geschäften ausgeben. Die Gemeindekasse hatte wirklich gute Einnahmen – da darf man auch mal groß träumen.

Anhand der Einträge im Beschlussbuch der Gemeindevertretung Wolfenhausen können wir den Fortschritt beim Bauvorhaben „Mittelpunktschwimmbad“ genauer betrachten:

Eintrag vom 1. September 1960:
Mit 8 Stimmen gegen 0 Stimmen wurde beschlossen 1961 mit dem Bau eines Mittelpunktschwimmbades zu beginnen. Die Gemeindevertretung rechnet mit einem Pauschalbetrag von ca. DM 150.000,-

Bei dem angedachten Pauschalbetrag wurden hier vermutlich schon die zu erwartenden Beihilfen von Bund, Land und Kreis abgezogen. Auch der Baubeginn war etwas utopisch aber der Anfang war gemacht.

Eintrag vom 13. Januar 61:
Beschluss: Die Grundstücke (Flur 25 No. 40) sollen zu einem Preis von 40 DM pro „Ruthe“ erworben werden.

Der tatsächliche Kauf erfolgte dann erst nach einem erneuten Beschluss vom 14. September 1961

Das Maß wirft eine Menge Fragen auf, da Ruthe eigentlich ein Längenmaß ist, das aber regional extrem unterschiedlich ist. Gemeint ist hier vermutlich die Quadratruthe, die je nach Region zwischen 7 m² und 36 m² groß sein konnte. Gültig war das Maß nur bis zum deutschen Beitritt in die Meterkonvention 1875, in der Landwirtschaft wurde es jedoch in vielen Orten weiter genutzt. Eine Ruthe entsprach etwa 10 Fuß. Der Fuß maß im Herzogtum Nassau 0,5 m, in Hessen-Darmstadt 0,25 m, in Preußen 0,313 m. Welche Ruthe in Wolfenhausen genutzt wurde, bleibt noch heraus zu finden.

Eintrag vom 29. März 61:
Es wurde beschlossen, die Fertigstellung der Bauunterlagen für das Mittelpunktschwimmbad zunächst bei den Planern des Bauamtes zu belassen.

Dies war wohl keine grandiose Idee, da das Bauamt keine Experten auf diesem Gebiet vorhielt. Daher musste externe Unterstützung angefordert werden. Die Gemeindevertretung besichtigte dazu erst mal gemeinsam das neu gebaute Schwimmbad in Nassau. Dort knüpfte man auch Kontakte zu den Firmen, die dieses geplant und gebaut hatten.

Eintrag vom 21. August 61:
Es wurde beschlossen, dem Architekten R. Henkel, Frankfurt/M den Vorentwurf für den Bau eines Mittelpunktschwimmbades zum Betrag von DM 1940,- zu vergeben.

Eintrag vom 19. Januar 1962:
Es wurde beschlossen, von einer Sonderfällung für den Schwimmbadbau abzusehen.

Eintrag vom 6. April 1962:
Es wurde beschlossen, den Ingenieur R. Henkel mit der baureifen Entwurfsbearbeitung und dem Bauantrag für das Mittelpunktschwimmbad zu beauftragen.

Ab diesem Zeitpunkt ging es nun tatsächlich voran mit der Planung und dem Bau.

Eintrag vom 22.7.1962:
Es wurde beschlossen, die Bauarbeiten für das Schwimmbad öffentlich auszuschreiben.

Der lange Zeitraum vom Beschluss bis zum Baubeginn lag vor allem an den verbindlichen Zusagen für öffentliche und private Zuschüsse, die komplett vorliegen mussten, bevor die Kosten entstanden.

Eintrag vom 3. August 62:
Es wurde beschlossen, der Firma Johann Berg , Hanau die Ausfertigung der Tief- und Hochbaulichen Teils des Mittelpunktschwimmbades zu vergeben. Der Preis beträgt laut Angebot DM 236689,- für den Tiefbau und DM 68611,50 für den Hochbau.
Die Fliesenarbeiten von DM30703 sollen gesondert vergeben werden. Das Angebot eines örtlichen Unternehmens soll hierfür angefordert werden.
Die Dachdeckerarbeiten werden der Fa. Willi Fink zum Angebotspreis von DM 3896,85 vergeben und die Klempnerarbeiten der Fa. Reuter und Knörr zum Angebotspreis von DM 498.
Die Lieferung der Fließen soll die Fa. Wilhelm Gaie, Gießen zum Angebotspreis vom 23.07.62 in Auftrag gegeben werden.

Eintrag vom 24. August 62:
Aufnahme eines Darlehens von 120.000 DM zur Finanzierung des Schwimmbads bei der Kreissparkasse Weilburg

Eintrag vom 3. Oktober 62:
Zuschlagserteilung an die Fa. Carl Lösch aus dem Rheinland für die Lieferung der Umwälzanlage für das Freibad lt. Angebot vom 29.9.62 für DM 28500,-

Eintrag vom 1. März 63:
Beauftragung der Fa. Kurt Rach für die Fliesenlegerarbeiten zum Angebotspreis von DM 24709,60

Eintrag vom 9. August 63:
Zuschlagserteilung über die Straßenbauarbeiten an die Firma Steinhauer

Eintrag vom 18. Oktober 63:
Der Fa. Reuter und Knörr wird der Zuschlag für folgende Arbeiten erteilt: Sanitäre Anlagen, Elektroarbeiten, Lieferung und Montage der Ausrüstungsgegenstände für das Becken.
Fa. Cäsar: Fenster (DM 9941), 2 Schränke (DM380).
Fa. Gebr. Reuter: Türen (3733,-) Latten (DM 728,-),
Fa. Scherber: Ausführung der Putzarbeiten (DM 6878,50),
Fa. Heinrich Stamm: Ausführung der Schlosserarbeiten (DM 9827,10)

Eintrag vom 20. März 64:
Vergabe der Anstricharbeiten an den Hochbauten an die Fa. Hugo Nehl I zu DM 3500,60 und den Malerarbeiten am Schwimmbecken an die Fa. Hugo Nehl II zu DM 4813,-

Der Kostenvoranschlag aus dem Jahr 1961 belief sich auf 380.000 DM. Genau wie wir es aus der heutigen Zeit kennen, konnte dieser aufgrund gestiegener Preise und Löhne jedoch nicht eingehalten werden. Mittlerweile beläuft sich die Summe also auf DM 450.000,- aber der Bau des Schwimmbads ist endlich in der Endphase angekommen. Während des Baus gab es bereits Spenden und Nachlässe der ortsansässigen Firmen. Im Rhein-Lahn-Freund Jg. 1965 (s. Foto) sind die einzelnen Beihilfen von Bund Land und Kreis mit einer Gesamtsumme von 210.000 DM im Einzelnen aufgeführt. Es ist schön zu sehen, dass die beiden Planungsfirmen, die am Schwimmbadbau beteiligt waren, damals Anzeigen geschaltet haben, die auf der Seite des Artikels über das Wolfenhäuser Schwimmbad erschienen sind. Gutes Marketing in den 60ern!


Rhein-Lahnfreund Jg1965-S321 (Heil-Druck, Bad Ems)*

Im Juni 1964 wurde das Schwimmbad dann endlich mit einem großen Festakt eröffnet. Dazu gibt es natürlich einen gesonderten Bericht mit vielen Bildern.

Wenn man bedenkt, dass Anfang der 60er Jahre die ganze Gemeinde von Bürgermeister Adolf Raab verwaltet wurde und ihm bei allen Entscheidungen jeweils 8-9 ehrenamtlichen Gemeindeverordnete und bis zu 3 ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder zur Verfügung standen, war die Planung und der Bau eines Mittelpunktschwimmbads in einem Dorf mit 1000 Einwohnern schon ein riesiges Vorhaben. Mit Arnold Nehl und Erna Löw waren lediglich zwei Mitarbeiter in der Gemeindeverwaltung Wolfenhausen und mit Adolf Klein ein Gemeindearbeiter angestellt. Es gab zusätzlich noch einen Totengräber und zwei „Kulturfrauen“, die aber nur ihren speziellen Arbeiten nachzukommen hatten. Die Gemeindevertretung hatte außerdem den Schulvorstand zu wählen, in dem auch immer zusätzlich ein oder zwei Mitglieder des Gemeindevertretung sein mussten. Es mussten auch Schöffen für das Amtsgericht Runkel gestellt werden, das damals für Wolfenhausen zuständig war.

Die Gemeindeverordneten und Mitglieder des Gemeinderats bei der Ernennung von Hugo Nehl II zum Vorsitzenden der Gemeindevertretung Wolfenhausen 1964 durch Bürgermeister Adolf Raab.

Das Schwimmbad war allerdings bei Weitem nicht das einzige große Projekt, das in den Jahren 1960-1964 im Beschlussbuch der Gemeindevertretung Wolfenhausen zu finden ist.

Das Neubaugebiet auf den Kreuz wurde ausgewiesen, erweitert und bebaut, die Firma Heinrich Reuter & Söhne erweitert ihr Lager „ober dem Bierhaus“ (Mülheimer Straße), Dr. Schlotter beantragt, „links des Kirschbaumwegs“ bauen zu dürfen, womit praktisch das erste Haus am Elkerhäuser Berg entsteht. 6 Aussiedlerhöfe werden geplant und gebaut. Der Spediteur und Jagdpächter Speer kauft 1960 ein Grundstück „ober der Hell“ und es stellt zunächst nur einen Antrag zur Errichtung eines Jagdhauses. Das war nur ein Anfang, denn bereits ein Jahr später wurde bereits der Generalbebauungsplan geändert, damit „Am Häusersbacher Weg“ ein Wochenendhausgebiet entstehen konnte. Von dort kamen dann ständig Anträge auf Neubau, Wasseranschlüsse und Anbindung. Auch von anderen Einzelpersonen kamen immer wieder Anträge auf Zuteilung von Grundstücken, Bauanfragen oder Anfragen zur Verrohrung des Laubusbachs oder des Kieselbachs vor dem eigenen Haus auf den Tisch. Eine ganze Menge Arbeit für die Gemeindevertretung.

Ganz nebenbei wird die Grundsteuer C eingeführt, das Hessische Straßenbauamt übernimmt den Winterräumdienst der Ortsdurchfahrt, eine staubfreie Müllabfuhr wird eingeführt, die Pflicht, Wasseruhren einzubauen wird eingeführt. Der „Grüne Plan“ zum Feldwegeausbau, der mit staatlichen Mitteln bezuschusst wird, wird eingeführt. Um die Feldwege entsprechend ausbauen zu können, wird speziell dafür ein Darlehen von 17.000,- DM aufgenommen.

Hier noch ein paar Fakten zum Wert des Geldes Anfang der 60er Jahre, um einen kleinen Einblick zu geben, in welchem Verhältnis der damalige Haushalt der Gemeinde Wolfenhausen zum Einkommen der Bürger stand:

Der ordentliche Haushaltsplan der Gemeinde Wolfenhausen von 1961 wurde mit 175.564,- DM genehmigt. 1963 wurde ein Außerordentlicher Haushalt mit 311.000,- DM verabschiedet. Der Haushaltsplan für 1964 wurde mit 210.000,-DM verabschiedet.

– Das Brutto-Gehalt von Erna Löw und Arnold Nehl wurde 1960 auf 125 DM erhöht.
– Der Stundenlohn des Gemeindearbeiters Klein wurde 1964 von 2,75 DM auf 2,80 DM erhöht.
– Der Totengräber Walter Messinger erhält 30 DM pro Grab. Davon sind 10 DM von den Angehörigen zu tragen.
– Das Weihnachtsgeld für die Kulturfrauen wird 1964 von 12,- auf 20,- DM erhöht.

Wie man leicht erkennen kann, war der Schwimmbadbau damals ein gigantisches Projekt, das nur durch den Zusammenhalt und die Unterstützung aller Wolfenhäuser umgesetzt werden konnte. Wie es schon immer so in Wolfenhausen war, wurde auch damals nebenbei vieles in Eigenleistung und ohne viel Aufhebens erledigt. Auch heute noch sind die nächsten Generationen Wolfenhäuser stolz auf die Leistung ihrer Eltern und Großeltern, die uns allen Anfang der 60er Jahre etwas so Großartiges geschenkt haben. Kein Wunder, dass wir alle so an diesem Schwimmbad hängen und es wertschätzen. Wir sind dankbar für das Schwimmbad aber auch für diesen Zusammenhalt und den Spaß am gemeinsamen Schaffen und Erhalten von Werten, das wir von dieser Generationen gelernt und übernommen haben.

Den Luxus eines beheizten Schwimmbades konnte sich Wolfenhausen als damals noch eigenständige Gemeinde gönnen, da es als Industriedorf über genügend Einnahmen verfügte und zudem von den ortsansässigen Unternehmen unterstützt wurde. Es bleibt zu hoffen, dass uns dieser wunderschöne Luxus noch viele Jahre erhalten bleibt. Ohne Eigenständigkeit und ohne die großen Unternehmen, die Wolfenhausen damals hatte, wird es immer schwieriger. Doch wir sind zuversichtlich, wie wir einen eigenen Schwimmbad-Förderverein mit echten Kämpfern haben und ein Dorf, das diesen unterstützt.


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Trotz aller Bemühungen war es uns aufgrund der Tatsache, dass es die Firma Heil Druck nicht mehr gibt, nicht möglich, den Rechteinhaber ausfindig zu machen. Wer Rechte am verwendeten Text nachweisen kann, möge sich bitte melden.

Quellen:
Beschlussbuch der Gemeindevertretung Wolfenhausen ab 1960

Bildquellen

  • Schwimmbadbau: Dirk Schermuly
  • Rhein-Lahnfreund-Jg1965-S321: Rhein-Lahnfreund Jg1965-S321 (Heil-Druck, Bad Ems)*
  • Ernennung Hugu Nehl: M.Christ

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